Vom 1. bis 3. Dezember will die AfD ihren Bundesparteitag in Hannover abhalten.
Deswegen: auf nach Hannover!
Angesichts des AfD-Erfolgs sagen wir: Das, was jetzt wichtig ist, ist ein radikaler Feminismus. Tatsachen schaffen! Vielleicht haben wir uns als Linke zu lange in die bequeme Haltung der kritischen Kritiker_innen zurückgezogen, vielleicht haben wir mehr als nur einmal in unserem Alltagstrott „das große Ganze“ aus den Augen verloren. We need a plan! Jetzt ist wichtig: ein organisiertes, ein strategisches Vorgehen, ein radikaler Realismus, der die Frage nach der Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse in den Blick nimmt und im Hier und Jetzt als Bewegung um die konkrete Veränderung von Kräfteverhältnissen ringt. Die feministische Bewegung hat auf der einen Seite bedeutende Erfolge erzielen können; andererseits ist ihr auch vieles über die Jahre verloren gegangen. Dass beispielsweise Antifaschismus und Feminismus zusammen gehören, in Teilen auch, dass eine feministische Praxis Gesellschaftskritik braucht, um erfolgreich zu sein, und eine feministische Gesellschaftskritik notwendig eine materialistische Gesellschaftskritik sein muss; und dass Feminismus bedeutet, nicht nach der Legalität, sondern nach der Legitimität der Kritik zu fragen. Das nennen wir einen radikalen Feminismus!
Die AfD als männliche Bewegung
Die autoritäre Revolte ist eine zutiefst männliche Bewegung. Wir können eine Remaskulinisierung der europäischen Gesellschaften beobachten, die einhergeht mit Frauenverachtung und Hass auf Homosexuelle. Neu ist das nicht: Wenn die männliche Vormachtstellung ins Wanken geriet, bekamen Frauen es mit den Rückzugsgefechten des Patriarchats zu tun. Deswegen bemühen sie Mythen, und entwerfen eine Vergangenheit, die es so nie gegeben hat. Vielleicht der wirksamste Mythos ist der einer intakten, funktionalen und soldatischen Männlichkeit. Noch der letzte Lauch aus dem sächsischen Erzgebirge, noch der besorgteste Horst aus Duisburg und der verlogenste grüne Rassist aus Baden-Württemberg fühlt sich heute dazu berufen, die Ritterrüstung anzulegen und sich zum Schutz des Abendlandes in die Bresche zu werfen. Sie alle finden ihr Ideal – ob stillschweigend oder unverhohlen – in einem Höcke, der schon 2015 forderte, die Männlichkeit wegen der Mannhaftigkeit und der Wehrhaftigkeit wieder zu entdecken.
So kommt es, dass Pegida zu etwa zwei Dritteln aus Männern besteht. Bei den Bundestagswahlen wählten in Ostdeutschland 26 Prozent der Männer die AfD und auch im Westen waren es deutlich mehr Männer als Frauen. Natürlich wählen auch Frauen rechts, und ja, die AfD hat auch weibliches Führungspersonal. Das widerspricht aber dem männlichen Charakter der Bewegung nicht. Das Wahlprogramm der AfD wird nicht weniger antifeministisch, weil auch Frauen es gut finden. Das Ideal der Rollenzuschreibung bleibt klar, die Hetero-Kleinfamilie hat feste Plätze für Mama und Papa – das finden auch viele Frauen super, die den wohlbekannten Anker der Mutterschaft und Fürsorge schätzen. Aus dem Grund wählen schließlich auch viele Frauen die CDU. Und wenn man sich das genauer anschaut: Zwar halten Frauen in der AfD Reden und rufen zu Zeug auf, aber der Kampf (Stichwort: „Wir werden Frau Merkel jagen“) ist klar in Männerhand. Die Führungsriege der AfD speist sich aus männerbündischen Strukturen wie etwa Studentenverbindungen. Dass Antifeminismus wichtig für ihr Mobilisierungspotential ist, hat die Neue Rechte schon lang erkannt: gegen „Genderismus“ und „Frühsexualisierung“ kämpfte sie schon, bevor es die AfD gab.
Die Sehnsucht der Antifeministen nach dem starken Mann
Was die autoritäre Revolte prägt, ist die Sehnsucht nach den starken Männern, die von einer starken Nation reden, die sich ohne unnötige Gefühle wie „Scham“ unumwunden lieben lässt. Es ist die Sehnsucht nach Männern, die Plätze füllen und unter ihresgleichen Gänsehaut hervorrufen. Es geht um Männer, die nicht nur „Ordnung“, sondern aktives „Durchgreifen“ und „Aufräumen“ versprechen und die mit epischen Begriffen wie „kämpfen“, „erobern“ und „verteidigen“ um sich schmeißen, bis man sich ganz erhaben fühlt. Es geht um markige Männer, die fest davon überzeugt sind, dass sexuelle Belästigung und Gewalt als Komplimente zu verstehen sind. Es ist die Sehnsucht nach Männern, die große Gesten mit aufgekrempelten Ärmeln machen und breitbeinig und sehr überlegen in Talkshows sitzen. Es geht um die Sehnsucht nach Männern, die die Entscheidungen dieser Welt nur mit anderen Männern oder gleich ganz alleine fällen. Europa- und weltweit drängen Männer mit antifeministischen Ideen an die Macht. Zugleich träumen AfD-wählende Männer von nostalgische Rollenspielen: Politik ohne Frauen. Sie trainieren fleißig im Internet, um ein Angstklima für Feministinnen zu schaffen und laden immer mehr zum niedrigschwelligen Mitmachantifeminismus ein. Dass die antifeministische Männerrechtsbewegungen der AfD’s, PEGIDA’s, christlicher FundamentalistInnen und IslamistInnen und all die anderen zu Beginn des 21. Jahrhunderts Aufwind haben, kann eigentlich nicht überraschen. Überrascht ist nur das linksliberale Lager, das in seiner Kritik an der völkischen Rechten vollkommen substanzlos ist. Das Zaudern im Umgang, der hilflose Versuch, an den Dialog zu appellieren – „mit Rechten reden“ – zeugt von einer gravierenden Bewusstlosigkeit dieser Zeit. Sie habennichts verstanden!
Der Aufschwung der völkischen Rechten hängt mit ihrer Angst zusammen: Es macht die AntifeministInnen rasend, dass die Wirklichkeit anders aussieht als ihre völkischen Traumwelten. Es macht sie umso aggressiver. Sie haben Angst vor den Fortschritten der queeren und Frauenbewegungen. Denn diese Fortschritte sind vorhanden und sie sind spürbar: wie etwa die Verschärfung des Sexualstrafrechts in den letzten Jahren, die langsame Angleichung des Lohnniveaus, die Homo-Ehe oder die juristische Anerkennung von Intersexualität. Zugleich werden die Abwehrkämpfe stärker und offensiver: Mit #metoo gibt eine weltweite Aufmerksamkeit für sexuelle Gewalt (die Zeit, in der man ungestört grabbeln und Sprüche machen konnte, könnte bald vorbei sein) und es gab in den letzten Jahren riesige Demos zu Frauen- und LGBTI-Rechten in Polen, Spanien, den USA, der Türkei, Argentinien und anderen Ländern. Die feministischen Bewegungen haben so viel erkämpft, ihre Errungenschaften liegen in unserer Hand. Lasst uns auf den zweihundert Jahre alten Kämpfen unserer Genoss*innen aufbauen und über sie hinausgehen! Sorgen wir dafür, dass es für die kleinen Gaulands, von Storchs, Höckes, Le Pens, Johnsons, Kurz‘ und Wilders dieser Welt keine Möglichkeit mehr gibt, ihr chauvinistisches und sexistisches Weltbild auszuleben! Nehmen wir ihnen noch die letzten Bastionen!
Diese Gesellschaft überwinden
Antifeminismus zieht sich quer durch die Bank: den Akademiker mit dem Arbeiter, den Mittelständler mit dem Angestellten, den Versicherungsfachmann mit dem Richter, den Minister mit dem Handwerker verbindet der Unwille, männliche Privilegien abzugeben. Sie alle haben Angst davor, noch ihre letzten Herrschaftsansprüche zu verlieren. Wer antifeministisch, misogyn, transphob, homophob und sexistisch daherredet, hat most likely auch antisemitische, rassistische, sozialchauvinistische und andere menschenfeindliche Einstellungen: Das zeigt sich in Ideen von feministischen Verschwörungen, die davon ausgehen, eine „strippenziehende“ Elite plane die „Umerziehung“ – ein klassisches antisemitisches Motiv. Oder in der Vorstellung, dass nur deutsche Männer Frauen sexuell belästigen dürften, wie in dem gängigen Talk nach Köln – klassische (kolonial)rassistische Bildsprache inklusive. Radikaler Feminismus bedeutet für uns, immer deutlich gegen Rassismus und Antisemitismus Position zu beziehen, sich nicht staatsfeministisch vereinnahmen zu lassen und darauf hin zu wirken, die kapitalistische Klassengesellschaft zu überwinden. Ein radikaler Feminismus zielt auf die ganze Gesellschaft! Darum reicht es uns als Kommunist_innen nicht, die Symptome einer patriarchalen Gesellschaft zu bekämpfen; dieser Kampf stellt vielmehr einen Zwischenschritt auf einem langen und beschwerlichen Weg dar: Wir wollen die Grundfesten der patriarchalen Ordnung erschüttern; wir wollen den Grund für die autoritären Sehnsüchte abschaffen und damit die patriarchalen Charaktere, mit denen wir konfrontiert sind. Das heißt für uns, den Kapitalismus abzuschaffen; das heißt für uns, den Nationalstaat mitsamt seiner Bevölkerungspolitik und Verwertungslogik abzuschaffen; das heißt für uns, für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der es keinen Grund gibt, Menschen in Geschlechter einzuteilen.
Wir sagen: Die erfolgreichste Politik gegen die autoritäre Revolte ist eine starke feministische Bewegung. Denn derzeitige feministische Kämpfe sind nicht nur Abwehrkämpfe, sondern sie sind offensiv und sie sind stark. Denn die Fortschritte der bisherigen Frauen*bewegungen stellen die materielle Basis für unser Ziel einer Umwälzung dieser Verhältnisse dar. Es ist Zeit für eine feministische Offensive: The future is unwritten! Lasst uns nicht nur das Schlechte abwehren, lasst uns etwas Neues schaffen. Lasst uns eine wirkliche Perspektive auf eine bessere Gesellschaft entwickeln. Darum kommt es für uns als feministische Kommunist_innen und kommunistische Feminist_innen heute darauf an, die materiellen Bedingungen für eine befreite Gesellschaft aller Menschen weltweit aufrecht zu erhalten und mit neuen Strategien diese Bedingungen auszubauen. Lasst uns feministische Allianzen aufbauen, uns transnational vernetzen, gemeinsam kämpfen! Das bedeutet immer auch, den FeindInnen der Emanzipation die Räume zu nehmen. Deshalb kommt am 1. und 2. Dezember nach Hannover! Kommt am 1. Dezember zur Vorabenddemo und lasst uns ein Zeichen setzten, gegen die autoritäre Revolte und ihren Antifeminismus.
Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle ohne Angst verschieden sein können. Deshalb: Für einen radikalen Feminismus! Tatsachen schaffen!
Gemeinsame Zuganreise: Treffpunkt am Freitag ist um 16:45 Uhr und Samstag um 04:40 Uhr am Bahnhof Göttingen.
Drift – Feminist Alliance for Communism, November 2017